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How to ... Worldbuilding - oder "Wie baue ich meine Fantasywelt"

Worldbuilding. Ein Wort, das viele Autoren zum Zittern bringt. Andere gehen darin am ehesten auf. Was sich hinter dem Wort versteckt, was man berücksichtigen muss oder sollte, wie viel Arbeit eine Fantasy-/Sci-Fi-Welt wirklich benötigt und warum Worldbuilding sogar in Romanen eine Rolle spielt, die in unserer Welt angesiedelt sind, werde ich im Folgenden erläutern.

Zu erst einmal, was ist Worldbuilding?

Ganz einfach und simpel aus dem Englischen übersetzt: Weltenbau.
Schreibt man einen Fantasyroman, und möchte seine eigene Welt aufbauen, kommt man um das Weltenbauen nicht herum. Ihr braucht Rassen, ihr braucht eine (oder mehrere) Gesellschaft*en, ihr braucht eventuell neue Sprachen (die ihr nicht entwickeln müsst, aber erklären solltet), ihr braucht eine Welt, ein Land, Königreiche oder Städte – je nach dem, in welchem Subgenre ihr euch ansiedeln wollt.
Dasselbe gilt für Science-Fiction. Schreibt ihr über einen kolonialisierten Planeten? Über unsere Welt im Jahr X in ferner Zukunft? Denkt man nur an Star Wars oder Star Trek ist man von zig verschiedenen Rassen umgeben, die neben dem Menschen existieren. Einige kommunizieren in einer Sprache, die die der Menschen sehr ähnlich ist, andere – wie R2D2 bspw. – kommunizieren über Signale, die die Menschen aber auch verstehen können. In Star Wars gibt es eine Politik, es gibt Konflikte, es gibt Hierarchien, Planeten mit Namen, Kampfjets mit Namen…

Nimmt man das Beispiel von Cassandra Clare, The Mortal Instruments, eine Buchreihe, die ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann, sieht man, dass Fantasyelemente auch in urbaner Umgebung von New York funktioniert. Clare erschafft eine Welt, die neben unserer existiert. Sie schafft die Shadowhunters, die Dämonen und die Welt, die hinter dem Glamour vor den Augen der Mundis (Normalsterblichen) verborgen bleibt.
Dasselbe hat auch Rowling mit Harry Potter gemacht. Es sind Welten, die nebeneinander existieren, ohne sich wirklich zu berühren, da Normalsterbliche diese Welten nicht sehen können, sie nicht betreten können.

Schreibt man eine Geschichte, die im Hier und Jetzt spielt – schreibt man einen ganz normalen, harmlosen Roman, betreibt man Worldbuilding in dem Sinne, dass man die Welt des Romans schafft. Man lässt die Leser die Welt durch die Augen einer Person sehen und dadurch erschafft man eine individuell wahrgenommene Version der Welt, wie der Leser sie vielleicht nicht gesehen hatte. Man muss sich vielleicht hier und da sogar einen neuen Namen für bspw. ein Café oder ein Restaurant ausdenken, beschreibt die Häuser und Straßen und baut somit die Welt der Geschichte, wenngleich sie auch eine real existierende Welt ist.

All das gehört zum Worldbuilding. Es ist nicht einfach nur das beschreiben einer einzigen Stadt in einem Fantasyroman. Es ist alles drum herum.

Was muss man beim Worldbuilding berücksichtigen?
Ø  Stadt und/oder Dorf: Die Gestaltung
Ø  Gesellschaft
Ø  Politik
Ø  Länder oder die ganze Welt
Ø  Klima
Ø  Sprachen
Ø  Kultur und Religion

Ich werde es konkret auf die Genres beziehen, in denen ich vornehmlich schreibe: Fantasy und Science Fiction.
Was man wo beachten muss, ist vom Genre abhängig. Schreibt man (High) Fantasy im Stil von Tolkien und Kollegen, steht die Zeit im Vordergrund. Wir alle können uns nur an Dingen orientieren, die wir kennen, die wir gesehen haben. Fantasy spielt in der Regel, wenn man sich an den großen Vorbildern Tolkien oder Martin orientiert, in einer mittelalterlichen Welt.
Fängt man also bei den Basics an:
Gibt es Dörfer und Städte? Wenn ja, wie sind die aufgebaut?
Hier ist zu beachten, dass man keine modernen Elemente übernimmt. Es gab keine Fertighäuser in den Dark Ages. Alles war aus schwerem Stein, die Bauernhäuser waren einfache Fachwerkbauten mit einfachen Dächern. Es gab keine Straßen, wie wir sie heute kennen. Sie waren allenfalls mit Kopfsteinpflastern gepflastert. Aber das sind Elemente, die der Autor für sich entscheiden muss. Es kann auch sein, dass man an der Antike orientieren möchte, an der Edo-Zeit aus Japan… Diese Entscheidungen kann man niemanden abnehmen.
Die Gesellschaft.
Wie ist die Gesellschaft aufgebaut? Gibt es eine Geschlechterteilung? Wenn ja, welches ist das Stärkere, warum wird das eine unterdrückt, welche Nachteile entstehen dadurch?
Gibt es Vorurteile?
Welche Normen herrschen in eurer Gesellschaft?
Welche Stände gibt es? Reich und Arm? Oder ist es ein Kasten-System? Gibt es das Fußvolk und den Adel?
Solche Entscheidungen sind oft daran festzumachen, in welcher Zeit ihr eure Welt ansiedeln wollt.
Politik.
Monarchie, Demokratie, Diktatur?
Was wollt ihr für eure Welt? Diese Frage habe ich mir bei meinem Fantasy-Roman nicht stellen müssen, denn ich wusste, dass ich eine mittelalterliche Welt mit einem König an der Spitze aus dem Boden stampfen wollte. Aber für den Verlauf der Geschichte ist es wichtig zu wissen, in welche Richtung man gehen will. Denn, je nach Form hängt der ganze politische Apparat daran. Die Gesellschaft hängt zu einem Teil daran. Ist euer Monarch eine Frau, könnten die Frauen bessergestellt sein als die Männer. Es ergibt sich für die Entwicklung eine bedeutende Rolle, was ihr für ein Modell für eure Story wählt.
Länder. Die Welt.
Möchtet ihr eine GANZE Welt erschaffen oder reicht für eure Story ein Kontinent, ein Land oder gar eine Stadt?
Für meinen Fantasy-Roman habe ich eine Welt erschaffen. Ein ganzes, irgendwie zusammenhängendes Gebilde aus Kontinenten, Städten, Dörfern, Regierungsabschnitten und Klimazonen. Zu wissen, in welche Richtung man gehen will, ist hierfür ausschlaggebend. Reicht euch ein Dorf, um eure Geschichte zu erzählen, braucht ihr nicht so viel Energie in den Rest investieren, denn dieser wird ohnehin keine große Verwendung finden. Ist es aber ein politisches Gebilde aus mehreren Königreichen, Anhängigkeiten zueinander, Konflikten oder Handelsbeziehungen und Krieg etc., kommt man um ein umfangreiches Worldbuilding nicht herum, wenn man entscheidet, im großen Stil zu arbeiten. Bedenkt aber, dass das Arbeit ist. Jedes Land, jeder Kontinent, der wichtig ist, braucht einen Namen. Ebenso die Städte, die Dörfer und wahrscheinlich sogar die Welt an sich.
Klima.
Das Klima bedingt die Flora und Fauna, die Kleidung und die Behausung der Menschen.
Ist es warm, werden sie kaum in Fellmänteln herumlaufen und eher leichte Kleidung und helle Farben bevorzugen. Ist es kalt, gilt das Gegenteil. Ist die Umgebung grün? Ist sie sandig? Ist es mild, heiß, schwül? Wo ist die Stadt gelegen? Am Meer ist es oftmals kühler und frischer und windiger als im Landesinneren.
Herrschen die gleichen Gesetze wie bei uns? Regen, Schnee, Gewitter? Gibt es dieselben Voraussetzungen?
Sprachen.
Je mehr Länder und Kontinente ihr habt, desto realistischer ist es, dass nicht überall dieselbe Sprache gesprochen wird.
Es gibt Sprachentwicklungen, Sprachen sterben aus, verändern sich, entwickeln sich, neue werden geboren. Dies ist aber nur für diejenigen interessant, die sich im großen Stil mit einer Fantasywelt auseinandersetzen möchten. Mir macht es Spaß, mich damit zu beschäftigen, sonst wäre ich wahrscheinlich auch in meinem Studienfach falsch.
Solltet ihr auf die aberwitzige Idee kommen (so wie ich), Sprachen entwickeln zu wollen, kommt es drauf an, auf was ihr es aufbaut und welche Kenntnisse ihr aus existierenden Sprachen mitbringt. Sprecht ihr nur eine Sprache, wird es schwierig, denn es gibt auf unserer Welt verschiedene Grammatiken, verschiedene Fokusse auf verschiedenen Wortarten. Die asiatischen Länder bspw. lassen das Subjekt oft weg, verfügen über keine richtigen Adjektive (wie ich im koreanisch Unterricht gelernt habe), sie fokussieren sich eher auf das Verb als auf alles andere. Der Kontext ist entscheidend. Wortfolge – die ist sogar in der germanischen Sprachfamilie unterschiedlich.
Gibt es ein Alphabet, wenn ja, wie sieht das aus? Wie ist die Phonetik – besteht eine klare Graphem-Phonem-Beziehung, heißt: Kann man anhand der Schreibung erkennen, wie es ausgesprochen wird? Das sind alles Dinge, die in diesem Punkt zu beachten sind.

Wie ist die Kultur aufgebaut? Gibt es eine Religion?
Wie es schon Tolkien oder auch R.R. Martin getan hat, orientiert man sich bei der Erschaffung der Kultur an den bereits bekannten, existierenden Kulturen der Welt, borgt sich hier etwas und leiht von dort etwas aus, um es letztlich zu einem völlig eigenen Konstrukt zu machen, das einen eigenen Namen bekommt.
Die Dotraki aus Game of Thrones sind ein Nomadenvolk – Nomaden gibt es wirklich. Sie sind auf ihre Pferde angewiesen, wie die Dotraki. Im Nahen Osten oder in der Region um und in Ägypten gibt es sie häufig, die Frau spielt eine gewisse, untergeordnete Rolle in den Kulturen – wie bei den Dotraki. Die Männer sind die Kämpfer, diejenigen, die das Volk beschützen – wie bei den Dotraki. Martin leiht sich hier also für die Erschaffung des Dotrakivolkes bestimmte Elemente für eine Kultur oder die Kultur eines Stammes, wenn man es so nennen kann, und macht es zu seinem eigenen Werkzeug. Dasselbe gilt für anderen Völker im Game of Thrones Universum. Nur, um ein grobes Bild dessen zu geben, worauf ich hinaus wollte.
Religion ist in dem Kontext ebenso wichtig. Betrachtet man den Götterkult der alten Götter oder der neuen in Game of Thrones (bleiben wir bei dem Gutbekannten), merkt man schnell, dass Religion eine große Rolle spielt. Nicht nur bei Martin, auch bei anderen Autoren und ich selbst schließe mich nicht aus. Ich habe vor kurzen in einem Fachbuch für politische Religionen gelesen, dass Religion und Politik nicht zu 100 % trennbar sind. Das eine geht mit dem anderen. Dies findet man nicht nur in der fiktiven Literatur wieder, sondern auch in der realen Geschichte. Die Pharaonen waren von den Göttern herabgesandt oder Kinder dergleichen; Ludwig XIV sah sich als Sonnenkönig an; Könige des Mittelalters waren von Gott erwählt… Man sieht hier ein gewisses Muster. In meinem bald erscheinenden Fantasy-Roman arbeite ich persönlich nicht direkt mit diesem Modell, aber ich habe festgestellt, dass ich in gewisser Weise doch daran kratze. Es ist einfach, dass der irre König seine Taten mit den Göttern zu rechtfertigen versucht. Aber eine Religion tut’s meistens nicht. Es sind oft mehrere Religionen. Es gab den keltischen Glauben, den germanischen Glauben, es gibt die ägyptischen Götter, die indischen Gottheiten, den Shintoismus, den Buddhismus – all das sind verschiedene Religionen, die es gab und noch immer gibt. Einige erleben ein Revival, andere sind für immer tot und vergraben. Fakt ist, dass es nicht nur eine Religion gibt, genauso wenig wie es nur eine Politik, ein Land oder eine Sprache gibt.
Setzt man sich intensiv mit dem Gegenstand „Worldbuilding“ auseinander, findet man viele Aspekte, die man berücksichtigen kann oder muss. Es würde selbst Romanformat annehmen, würde ich über jeden von ihnen schreiben. Aber ich denke, es gibt einen groben Überblick über das, auf was man sich einlässt und was eigentlich jeder Fantasy-Autor bereits „erlebt“ hat.




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